Öl oder Acryl – 5 Vorurteile auf dem Prüfstand, Teil I

Öl oder Acryl – 5 Vorurteile auf dem Prüfstand, Teil I

Einerseits werden Öl- und Acrylfarben oft als direkte Konkurrenten behandelt. Was die Leuchtkraft und die Ergebnisse angeht, sind sich die Farben schließlich durchaus ähnlich. Andererseits halten viele Maler und Hobby-Künstler die Farben für unvergleichbar. Während die einen auf Acrylfarben schwören, geht für die anderen nichts über Ölfarben. Die Frage, ob Öl oder Acryl, kann so schnell zur echten Glaubensfrage werden.

Anzeige

Öl oder Acryl - 5 Vorurteile auf dem Prüfstand, Teil I

Gleichzeitig ranken sich zahlreiche Mythen und Halbwahrheiten um die beiden Farbsorten. Grund genug, die Klischees einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. In einem zweiteiligen Beitrag stellen wir fünf typische Vorurteile im Zusammenhang mit der Frage, ob Öl- oder Acrylfarben die bessere Wahl sind, auf den Prüfstand!:

Zunächst etwas Hintergrundwissen

Bevor wir uns näher mit Vorurteilen und Gerüchten befassen, schauen wir uns erst einmal kurz an, was Öl- und Acrylfarben auszeichnet und wodurch sie sich voneinander unterscheiden. Unbestritten ist immerhin, dass beide Farbsorten eindrucksvolle Kunstwerke ermöglichen.

Ölfarben

Wie jede Farbe besteht auch eine Ölfarbe aus Bindemitteln und Farbpigmenten. Bei einer Ölfarbe handelt es sich bei dem Bindemittel größtenteils um Öl. Das Öl wiederum gibt der Farbe nicht nur ihren Namen, sondern beeinflusst auch ihre Eigenschaften.

Ölfarben leuchten intensiv, wirken lichtecht und haben eine sehr gute Deckkraft. Allerdings haben sie meist einen Eigengeruch. Durch das Öl können die Farben nicht mit Wasser vermischt werden. Denn Wasser und Öl verbinden sich nicht miteinander. Um Ölfarben zu verdünnen, muss ein Lösungsmittel verwendet werden. Das Lösungsmittel kann den Geruch aber zusätzlich verstärken.

Durch die buttrige Konsistenz lassen sich Ölfarben gut vermalen. Auch sanfte Farbübergänge sind kein Problem. Das liegt mit daran, dass Ölfarben nur langsam trocknen. Das Trocknen geschieht nämlich dadurch, dass das Öl mit dem Sauerstoff in der Umgebungsluft reagiert. Weil dieser Vorgang dauert, hat der Maler viel Zeit, um an Bilddetails zu arbeiten.

Ölfarben sollten nur auf einen grundierten Malgrund aufgetragen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass der Malgrund den Farben zu viel Öl entzieht und die Farbschichten dadurch im Laufe der Zeit Risse bekommen.

Rissig werden kann ein Ölbild aber auch dann, wenn der Künstler gewisse Malregeln nicht einhält oder auf eine schützende Firnisschicht verzichtet.

Acrylfarben

Anders als Ölfarben enthalten Acrylfarben kein Öl. Stattdessen dienen Kunstharze als Bindemittel und Wasser als Lösemittel. Diese Zusammensetzung führt dazu, dass Acrylfarben mit Wasser verdünnt werden können. Auch um die Pinsel und andere Malwerkzeuge zu reinigen, genügt Wasser.

Wenn Acrylfarben trocknen, verdunstet das enthaltene Wasser. Weil das schnell geht, sind Acrylfarben bereits nach wenigen Augenblicken trocken. Dadurch kann es aber schwierig werden, Farbverläufe zu gestalten.

Die Kunstharze sorgen dafür, dass die Farbschichten elastisch bleiben. Risse muss der Maler deshalb kaum fürchten. Was den Malgrund angeht, sind Acrylfarben ebenfalls ziemlich genügsam. So können sie auf fast jeden Malgrund aufgetragen werden, ohne dass eine Grundierung unbedingt erforderlich ist.

Qualitativ hochwertige Acrylfarben haben eine starke Leuchtkraft und sind lichtecht. Damit sie vollständig decken, sind aber oft mehrere Farbschichten übereinander notwendig. Einen nennenswerten Eigengeruch haben Acrylfarben nicht.

Öl oder Acryl – klassische Vorurteile auf dem Prüfstand

Mit dem Wissen über die wesentlichen Eigenschaften von Öl- und Acrylfarben können wir uns nun allmählich den gängigen Klischees zuwenden.

Tatsächlich gehört die Entscheidung für Öl- oder Acrylfarben zu den viel diskutierten Fragen unter Künstlern und Kunstfreunden. Manchmal ist es auch so, dass sich ein Künstler einmal auf eine Farbsorte festlegt und dann dabei bleibt.

Andersherum gibt es viele Künstler, die je nach Bild mal in Öl und mal mit Acryl malen. Tatsächlich ist es sogar möglich, beide Farben miteinander zu kombinieren. Dazu werden die unteren Farbschichten mit Acrylfarben gemalt und die oberen, sichtbaren Schichten mit Ölfarben.

Besucher lesen auch gerade folgenden Beitrag:  Die wichtigsten Kriterien beim Kauf von Pinseln, 1. Teil

Doch so oder so halten sich einige Klischees eben hartnäckig. Also schauen wir jetzt, ob und wie viel Wahrheit sie enthalten:

  1. Vorurteil: Das Malen mit Ölfarben ist schwieriger und aufwändiger als mit Acrylfarben.

Ein weit verbreitetes Gerücht besagt, dass Ölfarben im Umgang deutlich anspruchsvoller sind als Acrylfarben. Aus diesem Grund sind Ölfarben eher für erfahrene Maler geeignet, während Anfänger mit Acrylfarben besser beraten sind.

Um diese Ansicht zu untermauern, werden vor allem drei Gründe genannt:

  1. Trägt der Maler mehrere Farbschichten übereinander auf, muss er bei Ölfarben die Regel „fett auf mager“ einhalten. Der Ölgehalt muss also mit jeder weiteren Farbschicht steigen. Andernfalls halten die Farbschichten nicht aufeinander. Außerdem bilden sich Risse, wenn die Farben trocknen. Im Unterschied dazu kann der Maler beliebig viele Schichten aus Acrylfarben übereinanderlegen, ohne dass er dabei irgendetwas beachten muss.

  2. Möchte der Maler Ölfarben verarbeiten oder mischen, kommt er an Malmitteln kaum vorbei. Auch bei Acrylfarben gibt es zwar verschiedene Malmittel. Im Prinzip genügt aber simples Wasser. Andererseits sehen Ölfarben auf der Palette genauso aus wie später auf der Leinwand. Acrylfarben hingegen verändern sich noch. Das Mischen von Farbtönen ist mit Ölfarben deshalb einfacher.

  3. Für ein Ölbild muss der Malgrund grundiert werden. Bei einem Acrylbild kann eine Grundierung eine gute Idee sein. Zwingend notwendig ist eine Grundierung aber nur sehr selten.

Dass das Malen mit Ölfarben etwas anspruchsvoller und aufwändiger ist, ist tatsächlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Der Maler muss mehr vorbereiten und braucht ein wenig Übung. Trotzdem sind Ölfarben keineswegs nur Profis vorbehalten. Für die allerersten Malversuche sind Acrylfarben zwar oft die bessere Wahl. Aber auch die Ölmalerei ist kein Hexenwerk und die Regeln sind schnell gelernt.

  1. Vorurteil: Ein Ölbild dauert wesentlich länger als ein Acrylbild.

Ein weiteres Klischee besagt, dass ein Ölgemälde weit mehr Zeit und Geduld erfordert als ein Acrylbild. Als Hauptgrund dafür wird die sehr lange Trocknungszeit von Ölfarben ins Feld geführt.

Es ist unbestritten, dass Ölfarben deutlich länger trocknen als Acrylfarben. Und bevor der Maler die nächste Ölfarbschicht auftragen kann, muss er abwarten, bis die vorhergehende Schicht trocken ist.

Dass dadurch längere Malpausen entstehen, liegt nahe. Allerdings kann der Maler die Trocknungszeit durchaus beeinflussen. Reichert er seine Ölfarben zum Beispiel mit dem Malmittel Liquin an, trocknen sie sehr schnell.

Außerdem kann es ein großer Vorteil sein, dass die Ölfarben eben nicht so schnell trocknen. Der Maler hat dadurch nämlich viel Zeit, um Farbverläufe, Flächen und andere Bildelemente auszuarbeiten. So kann er dann auch kleinere Fehler problemlos ausbessern.

Acrylfarben sind schon nach wenigen Minuten trocken. Nachträglich etwas zu verändern oder auszubessern, kann deshalb ganz schon schwierig sein. Auch für Acrylfarben sind Malmittel erhältlich, die die Trocknungszeit verlängern. Allerdings wollen sie richtig eingesetzt sein. Der vermeintliche Pluspunkt, dass Acrylfarben einfacher in der Handhabung sind, weil sie ohne Malmittel auskommen, ist damit letztlich wieder aufgehoben.

Ein anderer Aspekt ist, dass Ölfarben eine bessere Deckkraft haben als Acrylfarben. Bei Ölfarben reicht in aller Regel eine Farbschicht aus, um eine gleichmäßige Deckung zu erzielen. Bei Acrylfarben hingegen sind oft mehrere Farbschichten notwendig, bis die Farbe die Fläche gleichmäßig deckt. Mehrere Schichten aufzutragen, nimmt aber ebenso Zeit in Anspruch.

Unterm Strich stimmt das Vorurteil pauschal so deshalb nicht. Ölfarben trocknen zwar langsamer als Acrylfarben. Doch das heißt nicht zwangsläufig, dass ein Acrylbild deshalb immer und automatisch schneller fertig wird.

Besucher lesen auch gerade folgenden Beitrag:  Virtuelle Bummel durch Museen - Infos und Anregungen

Mehr Ratgeber, Tipps und Anleitungen:

Anzeige

Thema: Öl oder Acryl – 5 Vorurteile auf dem Prüfstand, Teil I

-

Übersicht:
Fachartikel
Verzeichnis
Über uns


ölgemälde99

Autoren Profil:
FB/Twitter
Letzte Artikel von Autoren Profil: (Alle anzeigen)

Veröffentlicht von

Autoren Profil:

Hier schreiben die beiden Künstler und Maler RZA & Feryal, alias Christian Gülcan und Ferya Gülcan. Beide Baujahr 1974, mit teilweise unterschiedlichen Einstieg (Grafitti, Zeichnen & Design) in die Acrylmalerei und Ölmalerei. Wir sind Markeninhaber der Kunstschmiede kooZal und malen hauptsächlich moderne und abstrakte Acrylbilder und Ölbilder im Großformat, wenden aber auch andere Maltechniken und Farben an.

Ein Gedanke zu „Öl oder Acryl – 5 Vorurteile auf dem Prüfstand, Teil I“

  1. Mir persönliche gefallen Ölgemälde viel besser, aber das ist ja auch einfach Geschmacksache 🙂

Kommentar verfassen