Öl oder Acryl – 5 Vorurteile auf dem Prüfstand, Teil II

Öl oder Acryl – 5 Vorurteile auf dem Prüfstand, Teil II

Es steht sicher außer Frage, dass sowohl mit Ölfarben als auch mit Acrylfarben herrliche Kunstwerke entstehen können. Zumal sich die Farben durchaus ähneln, wenn es um die Leuchtkraft und die optischen Ergebnisse geht. Wenn aber im Raum steht, ob Öl- oder Acrylfarben die bessere Wahl sind, scheiden sich die Geister. Für einige Künstler sind Ölfarben das Maß aller Dinge, andere Künstler schwören auf Acrylfarben.

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Öl oder Acryl - 5 Vorurteile auf dem Prüfstand, Teil II

Dass beide Farbsorten typische Eigenschaften und Besonderheiten haben, liegt allein schon an ihrer Zusammensetzung. Während Ölfarben neben Farbpigmenten hauptsächlich aus Öl bestehen, basieren Acrylfarben auf Kunstharzen und Wasser. Deshalb ist eigentlich ganz logisch, dass die Farben in der Handhabung unterschiedlich sind.

Doch bei der Frage, ob Öl oder Acryl, sind oft auch Halbwahrheiten und Klischees im Spiel. Um mit den Mythen einmal aufzuräumen, stellen wir die fünf gängigsten Vorurteile auf den Prüfstand. Dabei haben wir in Teil I die Behauptungen unter die Lupe genommen, dass das Malen mit Öl deutlich anspruchsvoller ist als das Malen mit Acryl und dass in ein Ölbild viel mehr Zeit investiert werden muss.

Hier ist Teil II!:

  1. Vorurteil: Ölbilder wirken altbacken, Acrylbilder modern.

Die Ölmalerei blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits im 15. Jahrhundert arbeiteten Künstler mit Ölfarben. Und der Großteil aller Gemälde der großen Meister sind Ölgemälde. Deshalb denken viele auch an Ölbilder, wenn von Kunst die Rede ist. Die Acrylmalerei hingegen ist noch ziemlich jung. Acrylfarben kamen erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Markt.

Trotzdem ist das Klischee, dass Ölgemälde altbacken daherkommen, während Acrylbilder eine junge und moderne Note haben, falsch. Denn wie ein Bild aussieht und wirkt, hängt nicht davon ab, ob es in Öl oder Acryl gemalt ist. Entscheidend sind vielmehr das Motiv und die Maltechniken.

Genauso wie mit Acrylfarben Bilder im klassischen, traditionellen Stil umgesetzt werden können, können mit Ölfarben moderne und abstrakte Bilder entstehen.

Eine Einschränkung gibt es aber. Acrylfarben können mit verschiedensten Malmitteln wie Strukturpasten oder Sand gemischt werden. Auch Collagen, bei denen unterschiedliche Materialien wie Stoffe, Papiere, Äste und andere Dinge zum Einsatz kommen, sind möglich.

Mit Ölfarben klappt das nur begrenzt. Ölfarben eignen sich in erster Linie zum Malen im eigentlichen Sinne, aber weniger für experimentelle Arbeiten.

Rein auf die fertigen Bilder bezogen, stimmt es somit nicht, dass die Farbsorte der Motivwahl Grenzen setzt. Sowohl in Öl als auch in Acryl ist alles von klassischen Motiven wie Landschaften, Stillleben und Portraits bis hin zu moderner und abstrakter Kunst möglich. Möchte der Maler aber verschiedene Materialien mischen, ist er mit Acrylfarben tatsächlich besser beraten.

  1. Vorurteil: Das Malen mit Ölfarben ist teurer als das Malen mit Acryl.

Als Argument für Acrylfarben wird oft genannt, dass sie weniger kosten als Ölfarben. Und auf den ersten Blick ist das auch richtig. Eine Tube Ölfarbe in einer soliden Künstlerqualität ist teurer als eine Tube Acrylfarbe in einer vergleichbaren Qualität.

Hinzu kommt, dass beim Malen mit Öl weitere Malmittel notwendig sind. Das erhöht die Kosten zusätzlich, während der Maler bei Acrylfarben auf Zusätze prinzipiell verzichten kann.

Doch bei genauerem Hinsehen relativiert sich die Behauptung. Wie wir schon beim Zeitfaktor erklärt haben, reicht bei Ölfarben meist eine Farbschicht aus, um eine gleichmäßige Deckung zu erzielen. Im Unterschied dazu muss der Maler bei Acrylfarben vielfach mehrere Farbschichten übereinanderlegen. Dadurch ist der Verbrauch an Farbe höher.

Ein anderer Aspekt ist, dass Acrylfarben sehr schnell trocknen. Mitunter trocknen sie schon auf der Farbpalette und können dann nicht mehr verwendet werden. Auch das erhöht die benötigte Farbmenge.

Ölfarben sind also in der Anschaffung teurer. Doch der Maler verbraucht weniger Farbe und kann die Ölfarben länger verwenden. Die Ersparnis beim Kauf der günstigeren Acrylfarben hebt sich durch den höheren Materialeinsatz deshalb unterm Strich wieder auf.

  1. Vorurteil: Anders als Acrylfarben können Ölfarben die Gesundheit gefährden.

Durch das enthaltene Öl haben Ölfarben oft einen mehr oder weniger starken Eigengeruch. Beim Malen werden die Farben üblicherweise mit Terpentin verdünnt. Außerdem kommt Terpentin zum Einsatz, um die Pinsel und die sonstigen Malwerkzeuge zu reinigen. Auch Terpentin verströmt einen Geruch, der nicht unbedingt angenehm ist.

Tatsächlich ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Ölfarben gesundheitsschädlich sein können. Hochwertige Ölfarben enthalten als Bindemittel Leinöl. Leinöl ist unbedenklich, so dass davon keine Gefahr ausgeht. Etwas anders kann das bei den Farbpigmenten aussehen.

Wenn in ihnen Blei oder andere Metalle stecken, können sie giftig sein. Solche Farben sind zwar heutzutage die Ausnahme. Trotzdem kann es nicht schaden, einen Blick auf die Zusammensetzung zu werfen.

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Als Lösungsmittel ist in der Ölmalerei Terpentin üblich. Weil Terpentin nicht nur unangenehm riecht, sondern auch die Schleimhäute reizen kann, sollte der Maler am besten bei offenem Fenster malen oder zumindest regelmäßig gut lüften.

Außerdem sollte er das Gebinde gleich nach dem Gebrauch wieder verschließen. Die Alternative ist ein Terpentinersatz, der geruchsärmer ist. Doch auch dann ist regelmäßiges Durchlüften Pflicht.

Acrylfarben sind geruchsneutral. Als Lösungsmittel und zum Reinigen der Pinsel genügt normales Wasser. Die Gefahren für die Gesundheit sind somit deutlich kleiner. Aber auch Acrylfarben können bedenkliche Farbpigmente und Zusätze enthalten.

Insgesamt sind Ölfarben tatsächlich etwas problematischer als Acrylfarben. Doch das heißt nicht, dass sie mit einer echten Gesundheitsgefahr einhergehen. Wichtig ist eben, dass der Maler auf eine hochwertige Farbe ohne giftige Zutaten achtet und nicht stundenlang ohne Frischluftzufuhr die Dämpfe des Terpentins einatmet.

Am Ende kommt es also auf den richtigen Umgang mit den Farben an. Dann sind Ölfarben per se nicht schädlicher als Acrylfarben.

Öl oder Acryl – ein Fazit

In der Verwendung sind Ölfarben etwas anspruchsvoller als Acrylfarben. Für die allerersten Malversuche sind Acrylfarben deshalb oft besser geeignet. Denn der Maler muss einfach weniger beachten.

Die anderen Vorurteile bestätigen sich als pauschale und allgemeingültige Aussagen nicht. Ein Ölbild dauert nicht zwangsläufig länger als ein Acrylbild und muss keineswegs altbacken sein. Genauso ist die Ölmalerei weder viel kostenintensiver noch ernsthaft gesundheitsschädlicher als die Acrylmalerei.

Beide Farbsorten haben ihre Vor- und ihre Nachteile. Und worauf die Wahl fällt, ist am Ende – wie so oft in der Kunst – eine Frage des persönlichen Geschmacks.

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Hier schreiben die beiden Künstler und Maler RZA & Feryal, alias Christian Gülcan und Ferya Gülcan. Beide Baujahr 1974, mit teilweise unterschiedlichen Einstieg (Grafitti, Zeichnen & Design) in die Acrylmalerei und Ölmalerei. Wir sind Markeninhaber der Kunstschmiede kooZal und malen hauptsächlich moderne und abstrakte Acrylbilder und Ölbilder im Großformat, wenden aber auch andere Maltechniken und Farben an.

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