Was ist Genremalerei? Teil 2

Was ist Genremalerei? Teil 2

Menschen in typischen Alltagssituation im Bild festzuhalten, ist keine Idee, die erst mit der Fotografie aufgekommen ist. Schon früh wurden Momentaufnahmen angefertigt, nur nutzen die Künstler dafür Farben und Pinsel. Die Kunstgattung, der solche Gemälde zugeordnet werden, ist die Genremalerei.

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Was ist Genremalerei Teil 2

In einem zweiteiligen Beitrag schauen wir uns die Genremalerei, bei der auch von Genreszenen oder Sittenbildern gesprochen wird, einmal genauer an.

Dabei haben wir im 1. Teil erklärt, was genau die Genremalerei ist, welche charakteristischen Merkmale sie hat, wodurch sich die Darstellungsweise kennzeichnet und was die Genremalerei von anderen Kunstgattungen unterscheidet.

Hier ist Teil 2!:

Welche Funktion hatte die Genremalerei?

Die Genremalerei diente zunächst vor allem dekorativen Zwecken. Die Motive regten die Betrachter dazu an, nachzudenken, zu träumen, zu rätseln und manchmal auch zu schmunzeln.

Doch neben der rein dekorativen Funktion enthielten die Bilder auch Botschaften. So sagten sie etwas über den Lebensstil, die Arbeitsweisen und die Sitten der dargestellten Personen als Vertreter der jeweiligen Berufsstände oder Gesellschaftsschichten aus.

Außerdem nutzten die Künstler oft die Art und Weise, wie sie das Motiv darstellten, für Wertungen oder Kritik.

Ein Beispiel ist das Ölbild Der Kampf zwischen Karneval und Fasten von Pieter Brueghel d. Ä. Auf den ersten Blick scheint das Bild das alltägliche, bunte Gedränge in der Stadt zu zeigen. Bei näherer Betrachtung werden aber die Details deutlich. So sitzt zum Beispiel vorne mittig ein dickerer Mann auf einem Fass und hält ein aufgespießtes Spanferkel in der Hand.

Diese absurde und überspitzte Darstellung lässt darauf schließen, dass der Künstler Kritik an der Völlerei derjenigen üben wollte, die Karneval feiern. Aber er kritisiert gleichermaßen diejenigen, die fasten, indem er diese Personen dürr und in grauen Farben malte.

Dass die Genremalerei auch eine gesellschaftskritische Funktion hat, wurde zunächst nicht gesehen. Aus diesem Grund wurde sie in ihrem Wert hinter die Historien- und die Porträtmalerei gestellt. In Ausstellungen fanden Genrebilder folglich keinen Platz.

Stattdessen wurden sie überwiegend als Dekoration in Privathäusern aufgehängt. Vor allem in der Mittelschicht und im wohlhabenden Bürgertum erfreuten sich die Bilder großer Beliebtheit, weil sich deren Angehörige in den Motiven wiederfanden.

Dadurch hatten die Sittenbilder für sie eine persönliche Bedeutung und einen sentimentalen Wert.

Wie hat sich die Genremalerei entwickelt?

Die ersten künstlerischen Arbeiten mit Merkmalen der Genremalerei finden sich bereits bei den antiken Kulturen. So gibt es beispielsweise in den Grabkammern der ägyptischen Pharaonen Wandmalereien mit Szenen aus dem Alltag.

Im Mittelalter prägten moralische und religiöse Symbole die Malerei. Ihre wirkliche Entfaltung erlebte die Genremalerei deshalb erst in der Neuzeit nach 1500.

Einen entscheidenden Impuls für die Entwicklung der Kunstgattung gab die Reformation. Die christliche Kirche spaltete sich und sah sich gleichzeitig mit großer Kritik an ihrer Organisation und an ihren Lehren konfrontiert.

Während das Interesse an religiös aufgeladenen Motiven schwand, stießen die alltäglichen, lebensnahen Motive der Genremalerei auf Zuspruch.

Außerdem war es zu dieser Zeit nicht mehr nur der Adel, der Kunstwerke in Auftrag gab. Vielmehr übernahm das Bürgertum zunehmend die Rolle des Kunstförderers. Auch das half der Genremalerei dabei, sich zu etablieren.

Denn das Bürgertum hatte mehr Bezug zu den Motiven der Genremalerei als etwa zu den Themen der Historienmalerei, die sich vorrangig an den gebildeten Adel richtete.

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Als weiterer Aspekt kam dazu, dass kleinere, auf der Staffelei gemalte Bilder die großformatigen Gemälde, die Kirchen und Prunksäle geschmückt hatten, ablösten. Und in diesen Formaten fanden die Bilder dann auch in den Wohnungen des Bürgertums einen Platz.

Die Blütezeit

Ihre Hochzeit verzeichnete die Genremalerei im 17. und 18. Jahrhundert. Zwar entstanden in ganz Europa Arbeiten dieser Kunstgattung, als Zentrum kristallisierten sich aber die Niederlande heraus.

Das sogenannte Goldene Zeitalter im 17. Jahrhundert bescherte den Niederlanden sowohl in der Wirtschaft als auch in der Kunst eine Blüte.

Zahlreiche Sittenbilder entstanden und namhafte Künstler wie Gerrit van Honthorst, Jan Steen oder Jan Vermeer nahmen großen Einfluss auf den Stil, den sie in ihren Schulen an andere Künstler weitergaben.

In ihrer Hochphase erlebte die Genremalerei zugleich einen Wandel in der Darstellungsweise, der der Kunstgattung mehr Vielfalt einbrachte.

So gab es auf der einen Seite Künstler wie Jan Steen, die eher die traditionelle Form beibehielten. Auf der anderen Seite entwickelte sich ein Stil, der die Aussage des Künstlers nicht mehr offensichtlich vermittelte, sondern Interpretationen erforderte.

Jan Vermeer gilt als wichtigster Vertreter dieser Form. Sein Gemälde Das schlafende Mädchen zum Beispiel scheint ein friedliches, in sich gekehrtes Mädchen zu zeigen, das am Tisch sitzt und schlummert.

Kunstwissenschaftler gehen aber davon aus, dass der Künstler als kritische Botschaft eine faule Magd oder Hausherrin dargestellt hat.

Die Genremalerei in der Moderne

Im 19. Jahrhundert hatte die Genremalerei einen festen Platz unter den Kunstgattungen. In der Romantik waren zwar Landschaftsbilder beliebter, aber es entstanden auch etliche Gemälde, die der Genremalerei zuzuordnen sind.

Im Realismus wurden Sittenbilder dann wieder bevorzugt. Die Künstler waren bestrebt, die Realität möglichst echt, ungeschönt und frei von Idealisierungen darzustellen.

Die Motive der Genremalerei boten sich dafür natürlich bestens an. Mit dem Impressionismus veränderten sich nicht nur die Malerei im Allgemeinen, sondern auch die Themen der Sittenbilder. Sie griffen nun das moderne Leben in der Großstadt und nach der Industrialisierung auf.

Im 20. Jahrhundert kam es zu einem radikalen Umschwung in der Kunstgeschichte. Strömungen wie der Expressionismus oder der Kubismus brachten ein neues Verständnis der malerischen Darstellung mit sich.

Personen, Gegenstände oder Szenen sollten nicht mehr einfach nur im Bild festgehalten werden, sondern auch die Eindrücke und Emotionen des Künstlers zum Ausdruck bringen.

Deshalb wurden die Darstellungen zunehmend abstrakter und umfassten diffuse Formen, die der Fantasie des Künstlers entsprungen waren.

Zwar gibt es auch im 20. Jahrhundert noch Kunstwerke, die eindeutig die Merkmale der Genremalerei aufweisen. Insgesamt verlor die Kunstgattung aber an Bedeutung.

Abstrakte Gemälde werden nicht der Genremalerei zugeschrieben, selbst wenn sie Personen in alltäglichen Szenen darstellen.

Was ist aus der Genremalerei geworden?

In der Fachliteratur endet die Geschichte der Genremalerei meistens mit der Postmoderne. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es keine berühmten Künstler oder Kunstwerke als Vertreter der Genremalerei. Insofern handelt es sich bei der Genremalerei um eine historische Kunstgattung.

Trotzdem gibt es natürlich auch heute noch Arbeiten, die die typischen Merkmale des Genrebildes aufweisen. Vor allem real abgebildete Personen in Situationen des alltäglichen Lebens sind klassische Themen der Kunstgattung, die nach wie vor in aktuellen Kunstwerken auftauchen.

Allerdings werden sie meist nicht der Genremalerei zugeordnet, sondern anhand der Merkmale und der Darstellungsform lediglich mit der Kunstgattung in Verbindung gebracht.

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Hier schreiben die beiden Künstler und Maler RZA & Feryal, alias Christian Gülcan und Ferya Gülcan. Beide Baujahr 1974, mit teilweise unterschiedlichen Einstieg (Grafitti, Zeichnen & Design) in die Acrylmalerei und Ölmalerei. Wir sind Markeninhaber der Kunstschmiede kooZal und malen hauptsächlich moderne und abstrakte Acrylbilder und Ölbilder im Großformat, wenden aber auch andere Maltechniken und Farben an.

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